„Was würdest Du tun, wenn Du in Deiner Heimat nicht mehr in Sicherheit leben könntest, wenn das Leben Deiner Familie bedroht wäre, wenn viele Deiner Freunde schon weggezogen wären?“ Mit diesen Fragen sahen sich kürzlich die Jgst. 5, 6 und 7 des St.-Ursula-Gymnasiums in Attendorn konfrontiert. Anlass war ein „Schuldialog“ mit Jonas Ermes, der 2011 selbst an St. Ursula sein Abitur absolviert hat und Mitbegründer von „In safe hands“, einer Hilfsorganisation von Profitorhütern für Flüchtlinge, ist. Bereits vor Weihnachten hatte die gesamte Schulgemeinschaft auf Initiative der Schülervertretung abgelegte Sportkleidung und –geräte gesammelt, die Jonas Ermes bei seinem Besuch des Flüchtlingscamps Veria in der Nähe der nordgriechischen Stadt Thessaloniki an die bedürftigen Kinder übergeben hat.
Nun war er an die Schule zurückgekehrt, um sein Versprechen einzulösen, den Spendern über den Verbleib ihrer Sachen zu berichten. In einem spannenden und medial abwechslungsreichen Vortrag informierte Jonas Ermes seine jungen Zuhörer über die Herkunftsländer der Flüchtlinge, die Fluchtursachen und -routen sowie die Aufnahmeländer. Dabei wurden die Schülerinnen und Schüler immer wieder aufgefordert selbst aktiv zu werden und ihre Ideen zu diesen Themen an einer großen Pinnwand zu sammeln. Es stellte sich heraus, dass trotz ihres sehr jungen Alters bereits gute Kenntnisse zur Flüchtlingsproblematik vorhanden waren. Besonders still wurde es in der gut gefüllten Aula, als Ahmad aus Afghanistan über seine Flucht berichtete. In seiner Heimat hatte er ein gutes Leben als Bankangestellter geführt. Doch aufgrund der beruflichen Tätigkeit seiner Frau für die US-Amerikaner sah diese sich zunehmender Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt, was die Familie schließlich vor zwei Jahren zur Flucht veranlasste. Ahmad äußerte sich sehr dankbar darüber, dass sie in Deutschland Aufnahme und Arbeitsstellen gefunden haben.
Abschließend zeigte Jonas Ermes Bilder von seinem Besuch in Camp Veria, das speziell für besonders schutzbedürftige Personen wie Kinder, schwangere Frauen, kranke und alte Menschen eingerichtet ist. Sein Bericht und der Anblick der beengten Wohnverhältnisse, der absolut unzureichenden sanitären Einrichtungen und wenigen Schulcontainer hinterließ offensichtlich einen bleibenden Eindruck bei den Schülerinnen und Schülern. Groß war ihre Freude über die Begeisterung der Flüchtlingskinder über die gespendeten Sportsachen, die sie, wie Jonas Ermes erzählte, trotz eisiger Temperaturen voller Stolz gleich mehrere Tage trugen. „Um Hilfe zu leisten, ist gar nicht viel nötig“, lautete sein Schlussappell. „Jeder von euch kann etwas dazu beitragen. Haltet einfach die Augen auf, nehmt Flüchtlingskinder mit zum Sportverein oder zum Chor, bietet eure Unterstützung im Unterricht und bei Übersetzungen an und greift ein, wenn ihr Ungerechtigkeit wahrnehmt.“
Dass Helfen sogar mit einem Nutzen für sich selbst verbunden sein kann, erkannten Schülerinnen und Schüler der Jgst. 6 und 7, die zwischenzeitlich in den Französisch- und Lateinkursen einen Spenden-Vokabelmarathon durchgeführt hatten. So wurde Jonas Ermes am Ende dieser außergewöhnlichen Unterrichtsstunde von Schulleiter Markus Ratajski mit einem Scheck in Höhe von 3.400 Euro für „In safe hands“ überrascht, die bei dieser Aktion und durch zusätzliche Spenden von Lehrerinnen und Lehrern zusammengekommen waren.
Doris Kennemann